Landkreis Saalfeld-Rudolstadt Machtkampf in AfD eskaliert weiter - Rücktritt von Höcke gefordert

17. Mai 2024, 17:45 Uhr

Der Machtkampf in der Thüringer AfD geht weiter. Mehrere Thüringer AfD-Kommunalpolitiker fordern laut einem Medienbericht den Rücktritt des Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke. Sogar von einem Parteiausschluss war zunächst die Rede. Höcke begehe Wahlbetrug, so der Vorwurf.

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Thüringer AfD-Kommunalpolitiker haben einen Rücktritt des Landes- und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke gefordert. Gründe sind laut einem Bericht der "Bild" vom Freitag dessen Unterstützung einer alternativen Liste für die Kreistagswahl im Kreis Saalfeld-Rudolstadt und der Plan, AfD-Kandidaten aus der Partei zu werfen. Die regulären AfD-Kandidaten sehen demzufolge in der prominenten Unterstützung für die andere Liste einen Verstoß gegen AfD-Statute - Wahlwerbung für andere Parteien und Listen sei verboten.

Auf einem Wahlplakat ist Björn Höcke zu sehen.
AfD-Landeschef Björn Höcke wirbt prominent auf Plakaten für die "Alternative für den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt" - und nicht für die eigentliche AfD-Liste für die Kreistagswahl. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Scharfe Kritik an AfD-Chef Höcke

"Herr Höcke begeht Wahlbetrug mit jedem Plakat, auf dem er drauf ist", sagte Bürgermeisterkandidat und AfD-Mitglied Jörg Gasda MDR THÜRINGEN. Höcke behaupte auf den Wahlplakaten, dass er die Alternative wähle, obwohl er gar nicht im Kreis Saalfeld-Rudolstadt wohne. Gasda ist zwar in der Partei, tritt für die Bürgermeister-Wahl in Rudolstadt jedoch als parteiunabhängiger Einzelkandidat an.

Auf MDR THÜRINGEN-Nachfrage bestätigte Gasda die Rücktrittforderung. Wenn der Landeschef gegen die eigene Partei stimme, müsse das eigentlich einen Parteiausschluss zur Folge haben, sagte Gasda. Er forderte zugleich eine Erneuerung der Thüringer AfD. Es brauche neue Führungskräfte, weil zu viel gekungelt würde.

Herr Höcke begeht Wahlbetrug mit jedem Plakat, auf dem er drauf ist.

Jörg Gasda AfD-Mitglied und parteiunabhängiger Bürgermeister-Kandidat in Rudolstadt

Bisher hätten alle, die Höcke nicht wolle, irgendwann gehen müssen, zitiert die "Bild" Gasda. Höcke schare demnach vor allem Ja-Sager um sich. "Das sind Leute, die morgens mit Bier an der Tankstelle stehen." Die Möglichkeit eines Parteiausschlussverfahrens gegen Höcke habe man aber nicht, sagte Gasda MDR THÜRINGEN.

Ein Mann lächelt auf einem Wahlplakat.
Der Rudolstädter Bürgermeister-Kandidat Jörg Gasda (AfD) fordert den Rücktritt von Björn Höcke als Thüringer AfD-Landeschef. Er ist zwar in der Partei, tritt aber als parteiunabhängiger Einzelkandidat bei der Bürgermeister-Kandidatur an. Bildrechte: MDR/Alexander Reißland

Kreistagskandidat Josef Kluy sagte laut "Bild": "Höckes Verhalten passt zu einem Narzissten, hat aber mit demokratischen Gepflogenheiten nichts zu tun. Nicht wir müssen aus der Partei geworfen werden - wenn, dann er." Eine Stellungnahme von Höcke lag zunächst nicht vor.

AfD-Landesverband weist Forderungen als "absurd" zurück

Thüringens AfD-Vize Torben Braga hat die Andeutungen der AfD-Kommunalpolitiker über einen möglichen Parteiausschluss von Landesparteichef Björn Höcke als "absurd" bezeichnet. "Die Forderung ist absurd, weil die Mitglieder aus verschiedenen Gründen nicht antragsberechtigt sind", sagte er am Freitag der Nachrichtenagentur "dpa". Braga sagte weiter, dass zuvor gegen neun AfD-Mitglieder aus der Region ein Parteiausschlussverfahren beantragt worden war.

Zugleich habe der Landesvorstand die "sofortige Entziehung der Mitgliedsrechte" von sieben dieser Personen beschlossen. Dies gelte bis zu einer Entscheidung des für Parteiausschlüsse zuständigen AfD-Schiedsgerichts. Die Betroffenen dürften damit laut Braga nicht an Parteitagen teilnehmen und seien auch nicht antragsberechtigt beim Schiedsgericht. Die Forderung nach einem Parteiausschluss von Höcke gehe demnach also ins Leere.

Hinzu kommen laut dem AfD-Landesvize Regeln der AfD-Satzung in Thüringen. Demnach können Ordnungsmaßnahmen gegen Vorstandsmitglieder nur von einem übergeordneten Vorstand beantragt werden. Bei Mitgliedern des Landesvorstands wie Höcke müsse der Antrag vom Landesvorstand oder dem Bundesvorstand kommen. 

Verfassungsrechtler spricht von parteischädigendem Verhalten

Der Jenaer Verfassungsrechtler Michael Brenner sagte, dass Höcke auf Wahlplakaten für die Alternative zur Alternative werbe, könne man als parteischädigendes Verhalten ansehen. Er trete irreführend für eine Vereinigung an, die zwar von einigen AfD-Mitgliedern gestellt werde, die aber eigentlich nicht den Rückhalt der AfD habe.

Michael Brenner, Professor für deutsches und europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Verfassungsrechtler Michael Brenner Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Machtkampf innerhalb der Thüringer AfD

Hintergrund ist ein Machtkampf innerhalb der AfD im Kreis Saalfeld-Rudolstadt. Dort konkurrieren zwei AfD-Listen bei der anstehenden Kreistagswahl um Wählerstimmen. Eine rund um den Landtagsabgeordneten Karlheinz Frosch trägt den offiziellen Namen der AfD, wird aber nicht vom AfD-Landesverband unterstützt.

Auf der Liste für die Kreistagswahl standen im Oktober 15 Kandidaten, was damals dem Landesverband, aber auch vielen im Gebietsverband zu wenig erschien. Der Landesverband wollte die Liste annullieren und neu wählen lassen. Dagegen wehrte sich Frosch, der im Thüringer Landtag auch Alterspräsident ist, erfolgreich vor Gericht. Andere AfD-Mitglieder in dem Kreis stellten daraufhin eine neue Liste unter dem Namen "Alternative für den Landkreis" auf und sammelten ausreichend Unterschriften für die Zulassung zur Kreistagswahl. Dort sind auch acht der 15 Kandidaten ersten AfD-Liste vertreten.

Der AfD-Landesverband um Höcke hatte, nachdem dieser mehrmals vergeblich vor dem Geraer Landgericht gegen die erste AfD-Liste vorgegangen war, mit einem Parteiausschlussverfahren gegen die sieben verbliebenen Mitglieder auf der ursprünglichen AfD-Liste sowie auch gegen zwei weitere AfD-Mitglieder aus der Region reagiert.

Gegen Höcke lief 2018 ein am Ende gescheitertes Parteiausschlussverfahren. Das zuständige Thüringer Landesschiedsgericht der AfD wies damals den Antrag des damaligen Bundesvorstandes, darunter auch von Frauke Petry, ab. Begründet wurde der Parteiausschluss, weil Höcke bei einer Rede in Dresden im Januar 2017 eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" gefordert sowie angebliche Karrieristen in der Partei kritisiert hatte.

Thüringer Kommunalwahlen am 26. Mai

In Thüringen finden am 26. Mai Kommunalwahlen statt, bei denen unter anderem Landräte, Kreistage und Bürgermeister gewählt werden. Mit Spannung wird das Abschneiden der AfD erwartet. Höcke gilt als prominentester Vertreter des Rechtsaußen-Flügels der Partei. Zuletzt wurde er wegen der Verwendung eines SA-Slogans zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt. Er ging jedoch in Revision.

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MDR (rom)/rtr/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 17. Mai 2024 | 07:00 Uhr

293 Kommentare

JanoschausLE- vor 2 Wochen

@Neuer Heip
"..zweifelhafte Urteile wie zuletzt in Sachen angeblicher SA-Parole..."
Es ist nicht eine "angebliche" Sa-Parole,faktenbasiert ist es eine nachgewiesene Sa-Parole. Wenn man der Meinung ist,dass es nicht so ist,so muss man das irgendwo akzeptieren,aber man sollte nicht damit nicht,Fakten anzweifelnd,öffentlich posaunend in die Öffentlichkeit gehen,schon,weil man sich da sehr schnell unglaubwürdig und lächerlich machen könnte.Mir wäre das peinlich

Anita L. vor 2 Wochen

"vermutlich, weil ihre Politik auf unsere DDR, eben unsere Heimat, für uns entworfen ist."

Au weia. Das tut wirklich weh. Und bestätigt doch irgendwie alles, was über besagte Parteien, vor allem aber über ihre Wählerschaft gesagt wird.

Aber nur mal so am Rande: Die DDR existiert seit über 30 Jahren nicht mehr.

milbe vor 2 Wochen

Wenn Höcke nicht mehr für die AFD steht und das direkt vor einer Wahl, kann ich nun nachvollziehen, wie die Menschen aus Österreich, die FPÖ wählen, Haider plötzlich verstorben ist.

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